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Öffnung des Vereinssports für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre im Freien ohne Beschränkung während Corona

Antrag
der Abgeordneten Jörn König, Klaus Stöber, Andreas Bleck, Edgar Naujok, Carolin Bachmann, Dr. Christina Baum, Marc Bernhard, René Bochmann, Gereon Bollmann, Dirk Brandes, Marcus Bühl, Petr Bystron, Peter Felser, Markus Frohnmaier, Kay Gottschalk, Karsten Hilse, Nicole Höchst, SteffenJanich, Dr. Malte Kaufmann, Rüdiger Lucassen, Matthias Moosdorf, TobiasMatthias Peterka, Dr. Dirk Spaniel, René Springer, Kay-Uwe Ziegler und der
Fraktion der AfD

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Im März 2020 stufte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch des COVID-19-Virus als Pandemie ein. Am 25. März 2020 stellte der Bundestag die epidemische Lage von nationaler Tragweite fest, die dem Bund besondere Befugnisse nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) gab.

Aufgrund dessen kam es zu erheblichen Einschränkungen, insbesondere im Sportbereich. So war der Vereinssport im ersten Jahr der Corona-Pandemie stärker eingeschränkt als andere Lebensbereiche – bis hin zum vollständigen Stillstand des Sportbetriebs. Seit Mitte 2021 gibt es unter Einhaltung von Hygienemaßnahmen eine schrittweise Rückkehr des Sports.

Von den Einschränkungen waren besonders Kinder und Jugendliche betroffen. Während der Pandemiezeiten sind aufgrund fehlender Sportangebote und -möglichkeiten viele Kinder und Jugendliche aus den Sportvereinen ausgetreten und nicht wieder zurückgekehrt; andere erst gar nicht eingetreten. Nach einer Bestandserhebung des DOSB 2021 in der Fassung vom 1. Oktober 2021 gab es im Vergleich zum Jahr 2020 im Jahr 2021 bei den bis sechsjährigen Kindern einen Rückgang von 17,26 % bei den Jungen und 18,34 % bei den Mädchen; bei den 7-1 bis 14-Jährigen waren es 5 % bei den Jungen und 5,99 % bei den Mädchen (https://cdn.dosb.de/user_upload/www.dosb.de/uber_uns/Bestandserhebung/BE-Heft_2021.pdf, Seite 4 / Stichtag der Erfassung: 1. Januar 2021). Mit der Öffnung der Sportvereine und langsamen Rückkehr zum Sport starteten die Vereine verschiedene Kampagnen, um die Kinder und
Jugendlichen wieder in die Vereine zurückzuholen. Mit der MOVE-Kampagne ruft die Deutsche Sportjugend (dsj) Kinder und Jugendliche über unterschiedliche Formate und Kanäle auf, sich nach der langen Zeit des coronabedingten Bewegungsmangels wieder mehr zu bewegen (https://www.move-sport.de). Es folgten Aktionstage von Sportvereinen (https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/startschuss-fuer-bewegungskampagne-move ). Gutscheinprogramme zur Förderung der Vereinsmitgliedschaft von Grundschulkindern wurden aufgelegt.

Am 25. November 2021 endete nach § 5 IfSG die epidemische Lage von nationaler Tragweite und wurde nicht verlängert, obwohl die Corona-Zahlen wieder deutlich stiegen. Damit findet der bisher umfassende Schutzmaßnahmenkatalog in § 28a Abs.1 IfSG keine Anwendung mehr und einschneidende Maßnahmen wie die „Untersagung oder Beschränkung der Sportausübung“ (§28a Abs. 1 Nr. 8) sind in Zukunft nicht mehr möglich. Für die Zeit nach dem 25. November 2021 wurde mit der Änderung des IfSG eine Übergangsregelung getroffen, die am 24. November 2021 in Kraft trat und bis
zum 19. März 2022 gilt. Sie ist einmalig durch Beschluss des Bundestages um bis zu drei Monate verlängerbar, soweit sie „zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. Das geänderte IfSG ermöglicht Bund und Ländern je nach Hospitalisierungszahlen, auch nach dem Auslaufen der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ geeignete Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu ergreifen. Dazu gehören unter anderem gemäß § 28a Abs. 7 Nr. 4 die Verpflichtung zur Vorlage von Impf-, Genesenen- oder Testnachweisen sowie die Vorlage solcher Nachweise anknüpfende Beschränkungen des Zugangs in den in Abs. 1 Nr. 4 bis 8 und 10 bis 16 genannten Einrichtungen, zu denen Sportstätten zählen. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die „Untersagung der Sportausübung“ (§ 28a Abs. 8 Nr. 4 IfSG, Stand: 9. Dezember 2021).

Sportausübung ist generell je nach den jeweiligen länderrechtlichen Corona-Verordnungen unter unterschiedlichen Voraussetzungen (2G, 2G+,3G) möglich. Für Kinder und Jugendliche gelten dabei Ausnahmen (Stand: 15. Dezember 2021), wobei die Altersbegrenzung je nach Bundesland unterschiedlich geregelt ist. In Nordrhein-Westfalen gilt die Ausnahme für Jugendliche bis zum 18. Geburtstag, die in der Schule regelmäßig getestet werden und einen Schulnachweis vorlegen können
(https://www.lsb.nrw/medien/news/artikel/neue-coronaschutzverordnung-was-gilt-fuer-den-sport abgerufen am 9. Dezember 2021), während in Hamburg die Altersbegrenzung bei 16 Jahren ist (https://www.hamburg.de/corona-sport/13899242/sport-in-corona-zeiten/ 6. Dezember 2021); in Rheinland-Pfalz bis 17 Jahre (https://www.swr.de/sport/mehr-sport/coronaverordnung-rlp-sport-fuer-kinder-und-jugendliche-weiter-moeglich-artikel-100.html vom 7. Dezember 2020). In Baden-
Württemberg gilt die Ausnahmeregelung für Personen, für die es keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gibt. Die Kinder und Jugendlichen werden immunisierten Personen gleichgestellt und können damit am Sportbetrieb teilnehmen, auch wenn sie noch nicht geimpft sind. Ein Schulnachweis ist immer vorzulegen. Das heißt aber auch, dass Jugendliche, die mit dem Realschulabschluss oder mittleren Reife die Schule mit 16 Jahren beenden, einen Nachweis nicht
mehr erbringen können und somit z. B. in NRW unter die 2G- oder 3G-Regelung fallen. Die Ausnahmeregelungen wurden getroffen, da für diese Altersgruppen bisher noch kein Corona-Impfstoff in der Europäischen Union zugelassen war. Seit dem 31. Mai 2021 gibt es für die Altersgruppe der 12- bis 17-Jährigen einen Corona-Impfstoff und die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt eine Schutzimpfung allgemein auch für Kinder und Jugendliche (www.infektionsschutz.de/coronavi-
rus/schutzimpfung/impfung-bei-kindern-und-jugendlichen/#:~:text=Mit%20Comirnaty%C2%AE%20von%20BioNTech,Mai%202021). In ihrem Beschluss vom 2. Dezember 2021 legten die Bundeskanzlerin und die Regierungschefs der Länder bereits unter anderem fest, dass Kinder und Jugendliche ab acht bis zwölf Jahren mit gezielten Informationen über die Wichtigkeit der Impfung informiert werden (www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1986142/5873aa09c3896444d247b356b5df4315/2021-12-02-mpk-bund-laender-data.pdf?download=1).
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat bereits angekündigt, „Corona-Ausnahmen von 2G-Regeln für Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren mit Beginn des neuen Jahres (2022) zu beenden“. Bei den bisherigen Ausnahmen sei stets berücksichtigt worden, dass diese Gruppe erst deutlich später eine Impfempfehlung bekommen habe. Doch mittlerweile hätten sich alle impfen lassen können“ (www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Niedersachsen-will-Corona-Ausnahmen-fuer-Jugendliche-beenden,corona9536.html). Der Beschluss vom 2. Dezember 2021 und die Aussage des Ministerpräsidenten Stephan Weil lassen die Schlussfolgerung zu, dass die Einschränkungen soweit gehen, in absehbarer Zeit nur noch geimpfte Kinder und Jugendliche am Sport (drinnen und draußen) teilnehmen zu lassen. Das würde unweigerlich zu einer Ausgrenzung ungeimpfter Kinder und Jugendlicher von der Sportausübung führen.

Die unterschiedlichen Ausnahmeregelungen und die damit verbundenen Einschränkungen sowie die sich anbahnenden verschärfenden Schutzmaßnahmen für ungeimpfte Kinder und Jugendliche stehen nicht im Verhältnis zu den körperlichen Schäden, die die Kinder aufgrund mangelnder Bewegung erleiden. Der Sport sollte für diese Altersgruppe zumindest im Freien uneingeschränkt möglich sein, da das Infektionsrisiko im Außenbereich nachweislich sehr viel geringer ist.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

eine bundesweite einheitliche Regelung zu treffen, dass Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre jeden Sport im Freien unter Einhaltung der gebotenen Hygienemaßnahmen ohne Beschränkung ausüben können.

Berlin, den 16. Dezember 2021

Dr. Alice Weidel, Tino Chrupalla und Fraktion

Begründung

Kinder und Jugendliche leiden besonders unter den Folgen der Pandemie. Während der letzten 1 ¾ Jahren haben die Bewegungsdefizite in dieser Altersgruppe bereits erheblich zugenommen. Sportmediziner warnen vor den drastischen gesundheitlichen Spätfolgen, denn Bewegungsarmut fördert Krebs- und Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes Typ 2 und Bluthochdruck (www.zeit.de/sport/2021-04/bewegung-corona-krise-kinder-jugendliche-sport-lockdown). Der ehemalige DOSB-Vizepräsident Andreas Silbersack sagte dem Sportausschuss am 20. April 2021: „Wir haben eine dramatische Situation. Betroffen sind bis zu 1,5 Millionen Kinder, die mit Fettleibigkeit, Essstörungen und psychischen Problemen beschäftigt sind, Tendenz stark steigend. Die Bewegung, die wir für die Kinder brauchen, ist eine Investition für die Zukunft.“ Körperliche Aktivität stärkt den Körper der
Kinder und des Teenagers und hält ihn gesund. Doch Sport hat noch weitere positive Auswirkungen. So stabilisiert er die Psyche und sorgt für körperliches und seelisches Wohlbefinden. Außerdem fördert regelmäßige Bewegung die emotionalen, kognitiven und sozialen Kompetenzen. Sport bedeutet auch den Umgang mit Sieg und Niederlagen. Sport fördert einerseits Gruppensolidarität, soziale Kontakte und damit neue Freundschaften und verbindet andererseits allerlei Personen verschiedenster sozialer Schichten und Herkunft. Dadurch wird das Gemeinschaftsgefühl in der Gesellschaft insgesamt gestärkt. Und nicht zuletzt dient Sport auch als Möglichkeit für Kinder und Jugendliche zum bloßen „Austoben“, teilweise als Ventil zum Abreagieren angestauter negativer Emotionen.

Sportabstinenz führt nicht nur zu gesundheitlichen Problemen, sondern auch dazu, dass Kinder sich andere Beschäftigungen suchen. Playstation statt Fußball war schon im ersten Lockdown ein Problem. Mit den Folgen wird das Gesundheitssystem in den kommenden Jahren komplett überlastet. Es ist daher dringend geboten, viele Kinder und Jugendliche zum Sport zu motivieren und ihnen den Zugang zum Sport so einfach wie möglich zu machen. Mit der Vorlage eines negativen Testergebnis soll ein Ansteckungsrisiko ausgeschlossen werden. Nach Ansicht der Aerosolforscher gibt es draußen – im Gegensatz zu den Innenräumen – kaum eine Ansteckung. Schon im April 2021 kritisieren sie in einem offenen Brief an Angela Merkel, dass die Übertragung der Corona-Viren im Freien äußerst selten ist (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/corona-aerosol-forscher-ansteckungen-brief-merkel100.html). Dr. Gerhard Scheuch weist in seiner Stellungnahme für die öffentliche Anhörung am 25. Mai 2021 daraufhin, dass man sich aus Sicht der Aerosolforscher immer an der Übertragungswahrscheinlichkeit des COVID-19-Virus orientieren sollte. Sport sollte unabhängig von den Inzidenzwerten gestattet werden. Da im Freien das Ansteckungsrisiko sehr viel geringer ist als Drinnen, sollte man von der Politik alles tun, um die Menschen zu motivieren ins Freie zu gehen (Ausschussdrucksache 19(14-2)5(1). Erleichtert wird aber das Sporttreiben nicht, sondern im Gegenteil. Kinder müssen an Tests oder Schulnachweise denken. Fraglich ist, wie es sich in den Ferien verhält, wenn Testungen währenddessen in der Schule nicht erfolgen. Sportmannschaften werden auseinandergerissen oder ganz abgesagt, um nicht einzelne auszuschließen, wenn ein oder mehrere Spieler wie in Hamburg 17 Jahre alt sind. Konnten sie am Vortag noch mitspielen, sind sie ab ihrem 17. Geburtstag nicht mehr von den Einschränkungen befreit. Hat ein 17-Jähriger mit Abschluss der Realschule die Schule verlassen, kann er keinen Schulnachweis mehr erbringen und fällt ebenfalls unter die 2G, 3G Regelung. Vor allem für die sozialen und emotionalen Kontakte ist es für Kinder und Jugendliche sehr wichtig, Sport auch in der Gruppe betreiben zu können (Prof. Dr. Stefan Willich, Direktor am Charité Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, www.berliner-zeitung.de/wirtschaft-verantwortung/charite-infektiologe-corona-lockdown-ist-ueberzogenli.114966?fbclid=IwAR2AoQRd4MF3CgPQptkkyicW0Yz2St9VCz1rxVbEF5lMPSGpwZ0bHfG– abgerufen am 15. Dezember 2021).

Viele noch junge Talente und potenzielle zukünftige Spitzensportler werden durch die coronabedingte Einschränkungen in ihrer sportlichen Entwicklung drastisch gehemmt, so dass sie ihre Trainingsdefizite kaum noch aufholen können und ganz aufhören. Dies könnte möglicherweise Auswirkungen auf den gesamten deutschen Sport und seinen Stellenwert im internationalen Vergleich haben. Auch im Hinblick auf die Möglichkeit der einmaligen (und dann bereits zum mehrfachen Mal) weiteren Verlängerung des IfSG bis Juni 2022, kann kaum ausgeschlossen werden, dass in absehbarer Zeit auch die 2G-Pflicht für Kinder eingeführt wird, sodass noch mehr Kinder dem Sport fernbleiben. Kinder können nun mal wenig dafür und haben keinen Einfluss darauf, wie sich die Eltern bei dem Thema Impfen entscheiden. Und noch weniger können sie dafür, wie sich die Eltern der Mitspieler entscheiden.

Es liegt gegenwärtig kein Nachweis aus der Vergangenheit darüber vor, dass sich Sport im Freien negativ auf die Entwicklung der Vireninfektionszahlen und damit Ausbreitung von Viren in der Gesellschaft ausgewirkt hätten. Vor diesem Hintergrund erscheint es unverständlich, dass die Bundesregierung einerseits die Untersagung der Sportausübung ausschließt, andererseits aber für Kinder und Jugendliche unzumutbare Einschränkungen durch die Bundesländer hinnimmt.

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