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Euro-Inflation und Energiekrise – Schutz der Sportvereine vor hausgemachter Preistreiberei

Antrag
Jörn König, Klaus Stöber, Andreas Bleck, Edgar Naujok und die Fraktion der AfD

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Energieversorgungslage in Deutschland ist angespannt und eine weitere Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden.[1] Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich ansteigende Gaspreise einstellen. Politik, Unternehmen und Verbraucher sind aufgefordert, eine Notsituation bei der Energieversorgung in diesem und dem nächsten Winter zu vermeiden.[2]

Von der Energiekrise sind nicht nur Privatbürger und Unternehmen, sondern auch Sportvereine und Schwimmbäder betroffen.

In Deutschland gibt es etwa 230.000 Sportstätten mit 36.000 Sporthallen, 3.000 Tennishallen, 9400 Bäder, 8000 Schießanlagen und 60.000 Vereinsheime. [3] Je nach Größe und Nutzung verbrauchen die Vereine zwischen 4.000 bis 10.000 Liter Öl im Jahr; auf Sportplätzen mit Flutlichtanlagen werden zwischen 3.000 bis 10.000 kWh Strom verbraucht.[4] Den höchsten Energiebedarf weisen Schwimmbäder auf; 90% der Bäder werden aktuell mit Gas beheizt. Rund zwei Drittel der Sportanlagen befinden sich in der Trägerschaft von Kommunen, bei dem verbleibenden Drittel sind die Sportvereine die Eigentümer; während die Schwimmbäder fast ausschließlich durch Kommunen betrieben werden.


[1] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Gasversorgung/aktuelle_gasversorgung/start.html

[2] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/energiesparmassnahmen-2078224

[3] https://www.dosb.de/ueber-uns/energiekrise#akkordeon-34309

[4] https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/energiepreisanstieg-mit-dreifachstrategie-begegnen#:~:text=Sportvereine%20verbrauchen%20zwischen%204.000%20bis,die%20B%C3%A4der%20zu%20kalt%20sind.

Im Rahmen von Einsparungsmaßnahmen sprach der Deutsche Städtetag bereits die Empfehlung aus, Sportstätten und Schwimmbäder zu schließen. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur betont, „dass nicht jeder Betrieb als systemrelevant eingestuft werden kann. Produkte und Angebote, die in den Freizeit- und Wohlfühlbereich fallen, wären eher nachrangig. Schwimmbäder gehören genauso wie die Produktion von Schokoladenkeksen nicht zum kritischen Bereich!“[1]

Angesichts der insgesamt angespannten Lage hat das Kabinett im September 2022 Energiesparmaßnahmen für Privathaushalte, Unternehmen und öffentliche Nichtwohngebäude, zu denen Sportstätten zählen, beschlossen. Diese sollen kurz- und mittelfristig zur Sicherung der Energieversorgung beitragen sowie zur Senkung des Stromverbrauches führen, um die Stromerzeugung mit Gas zu reduzieren.[2] Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) hat weitere „Empfehlungen zur Energiereduktion für Sportvereine“ veröffentlicht. Für den Betrieb der überwiegend gasbetriebenen Schwimmbäder hat er zusätzlich – in Abstimmung mit der Bäderallianz – einen Drei-Stufen-Plan herausgegeben. Ziel ist es, mindestens 20% Energie zu sparen. Das reicht von kurzfristigen Maßnahmen, wie kürzerem und Temperatur-angepasstem Duschen bis hin zum Umstieg auf regenerative Heizungssystem als langfristige Lösung. Der DOSB-Präsident Thomas Weikert erklärt dazu, dass „der organisierte Sport seinen Beitrag in dieser schwierigen Situation leistet und einmal mehr gesellschaftliche Verantwortung übernimmt.“[3]

Auch wenn die Luft- und Wassertemperaturen in den Schwimmbädern der Städte und Gemeinden angepasst werden, das Flutlicht heruntergedimmt oder die Rasenheizung ausgeschaltet wird, die Sportstätten weniger geheizt werden oder die Beleuchtung auf LED umgestellt wird, befürchten die Vereine dennoch eine Kostenexplosion.

Nach einer bundesweiten Umfrage des Instituts für Sportstättenentwicklung (ISE) im Auftrag des DOSB zur Lage der Vereine in der Energiekrise, erwarten 40 Prozent aller Vereine starke Auswirkungen, rund sechs Prozent eine akute Existenzbedrohung. Ein Viertel der Vereine gab an, dass sie einen Mitgliederrückgang aufgrund der aktuellen Krise zu verzeichnen haben.[4] In mehr als fünf Prozent der Fälle mussten bereits Sportstätten geschlossen werden.

Vor dem Hintergrund der pandemiebedingten Schließung von Schwimmbädern und Sportstätten in den vergangenen beiden Jahren und den schwerwiegenden Folgewirkungen für die Gesellschaft, insbesondere auch für Kinder, Jugendliche und Ältere, ist eine erneute Schließung unbedingt zu verhindern.

Die Sportvereine stehen vor großen Herausforderungen. Auf der einen Seite werden sie aufgefordert, Kosteneinsparungen vorzunehmen, auf der anderen Seite wird der Sport in keinem der drei Entlastungspaket berücksichtigt.[5] Erst im Rahmen des 200-Milliarden-Abwehrschirms sind die Sportvereine im Hinblick auf die Energiepreisbremse miteinbezogen.[6] Das wird zumindest anfänglich für etwas Entlastung sorgen. Dennoch werden die Sportvereine in Zukunft mit deutlich höheren Preisen rechnen müssen, die sie kaum finanzieren können.  

Einsparungen allein helfen nicht. Die Sportstätten müssen so bald wie möglich ressourcenschonend saniert werden. Jetzt rächt es sich, dass jahrelang versäumt wurde, die Sportstätten zu modernisieren. Mit umfassenden energetischen Beratungen, darauf basierenden Investitionen und zusätzlichen Förderlinien (Investitionszuschüssen / zinslose Darlehen) muss die Umrüstung vorangetrieben werden. Aufgrund dieser dargestellten Probleme ist die Bundesregierung aufgefordert, schnell und unbürokratisch zu handeln.


[1] https://www.lsb-sachsen-anhalt.de/2015/o.red.r/energiekriseimsportsph.php?nav1=7&nav2=25&nav3=284

[2] https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Downloads/E/ensikumav.pdf?__blob=publicationFile&v=4

[3] https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/20-prozent-energieeinsparung-im-organisierten-sport-au

[4] https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/umfrage-herausfordernde-laage-der-sportvereine

[5] https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Schlaglichter/Entlastungen/ergebnispapier-des-koalitionsausschusses.pdf?__blob=publicationFile&v=4

[6] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/2139142/65def71a2103f977a6845faa69910749/2022-11-02-mpk-beschluss-data.pdf?download=1

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung mit dem Ziel auf, die Schließung von Sportstätten und Schwimmbädern zu verhindern, daher im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel,

  1. zum Ausgleich von Härtefällen einen zusätzlichen Hilfsfond einzurichten;
  2. sowie die Beantragung von Förderprogramme für energetische Sanierung zu erleichtern und Investitionsanreize zu setzen, die für kommunale Sportstätten ebenso wie für Anlagen im Vereinsbesitz gelten.

Berlin, den 07. November 2022

Dr. Alice Weidel, Tino Chrupalla und Fraktion

Begründung

Die Energiekrise und ihre Folgen treffen besonders den organisierten Sport. Die Sportvereine sind mit massiven Preiserhöhungen konfrontiert – bei vereinseigenen Sportstätten direkt oder bei der Nutzung kommunaler Sportstätten unmittelbar über deutlich steigende Umlagen. Insbesondere nach den herausfordernden Pandemiejahren mit erheblichen Mitglieder- und damit auch Einnahmeverlusten sind diese Preissteigerungen existenzbedrohend für die Vereine.

Der TSG Bergedorf – mit fast 11.000 Mitgliedern einer der größten Sportvereine in Hamburg – rechnet derzeit mit Mehrkosten von Fünfhunderttausend bis einer Million Euro. Der MTV Köln 1850 – als Nutzer mehrerer kommunaler Schwimmbäder, des Schwimmleistungszentrums an der Deutschen Sporthochschule Köln sowie als Betreiber eines vereinseigenen Bewegungsbades im MTV-Sportzentrum – hat bis zu monatliche 20.000, – Euro Mehrkosten durch gestiegene Energiepreise.[1]

 Der Vorsitzende des Eimsbütteler Turnvereins ETV, einer der größten Sportvereine der Hansestadt Hamburg, geht davon aus, dass sie für den Haushalt 2023 500.000 Euro an zusätzlichen Energiekosten haben werden.[2]  Der ETV steht exemplarisch für die Probleme im Breitensport, die ihre vereinseigenen Sportanlagen selbst refinanzieren müssen. In Chemnitz wird darüber diskutiert nicht mehr beide Eissporthallen am Küchwald zu vereisen, da das zu kostenintensiv ist. Die kleine Halle wurde in der Vergangenheit als Trainingshalle und Bundesstützpunkte für den Eisschnelllauf und den Eiskunstlauf genutzt. Sollte die Halle wegfallen, könnten die Sportarten den Status der Stützpunkte verlieren.

Im Rahmen des 200-Millarden-Abwehrschirms gegen die steigenden Energiekosten übernimmt der Bund im Dezember 2022 den Abschlag für Gas und Fernwärme. Ab dem Frühjahr 2023 sollen die Verbraucher mit Preisbremsen für Gas und Strom spürbar von den stark gestiegenen Kosten entlastet werden. Ziel ist es, die Energiekosten bezahlbar zu halten und zugleich eine sichere Versorgung mit Gas zu gewährleisten. Um die Motivation zum Energiesparen aufrecht zu erhalten, greift ab einem gewissen Verbrauch der Marktpreis.[3] Das heißt, 80 Prozent des Verbrauchs werden gedeckelt; die restlichen 20 Prozent müssen die Verbraucher zum marktüblichen Preis bezahlen.

Die Abschlagszahlung sowie der Gas- und Strompreisdeckel sorgen bei den Sportvereinen für etwas Entlastung. Trotzdem sind sie weiterhin von den erhöhten Energiekosten betroffen. Die Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge sind gering, aber die Kosten steigen kontinuierlich. Gemeinnützige Sportvereine dürfen generell keine hohen Rücklagen bilden; viele sind somit schnell am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten. Rücklagen, die sie vielleicht hatten, sind durch Corona aufgebraucht. Um anfallende Mehrkosten abzufangen, müssten die Mitgliedsbeiträge erhöht werden. Das ist aber für die meisten Vereine keine Option, da die Vereinsmitglieder auch privat massiv von den Preissteigerungen betroffen sind. Diejenigen, die gezwungen sind, ihre Beiträge zu erhöhen, fürchten, dass sich der Mitgliederrückgang beschleunigen wird. Laut der Beschlussfassung der Bundesregierung gibt es für private Haushalte und Unternehmen zum Ausgleich für Härtefälle einen zusätzlichen Hilfsfonds. Soweit Sportvereine insbesondere aufgrund eigenverantwortlich betriebener Sportinfrastruktur besonderen Belastungen ausgesetzt sind, müssen sie auch in die Härtefallregelung einbezogen werden und antragsberechtigt sein.

Um künftig mehr Energie zu sparen, müssen die Sportstätten umgerüstet werden. Etwa 30 Prozent der Sportstätten sind über 40 Jahre alt und stark sanierungsbedürftig, also noch stärker von steigenden Energiekosten beeinflusst. Schwimmbäder sind besonders betroffen, da mehr als 90 Prozent aktuell mit Gas beheizt werden. Langfristig müssen die Gelder, die der Bund aus dem Sondervermögen Energie- und Klimafonds für die Sanierung von Sportstätten zur Verfügung stellt, die Umrüstung erleichtern. Dies muss den kommunalen Sportstätten wie auch für Anlagen im Vereinsbesitz gleichermaßen zugutekommen. Die Energiekrise führt bei allen zu zusätzlichen Belastungen. Es ist daher unabdingbar, dass die Antragsverfahren möglichst unbürokratisch ausgestaltet werden, damit vor allem auch ehrenamtlich geführte Vereine nicht abgeschreckt werden.

Bei allen Entscheidungen zur Gas- und Wärmeversorgung muss berücksichtigt werden, dass der vereinsbasierte und gemeinwohlorientierte Sport wesentlich mehr als eine Freizeitaktivität ist. Sport ist ein unverzichtbarer Teil der sozialen Daseinsvorsorge und erfüllt wichtige soziale und gesundheitsfördernde Funktionen für die Gesellschaft. Gerade für Kinder und Jugendliche sind gesicherte Bewegungsangebote ein absolutes Muss. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen drastischen Einschränkungen haben deutlich gezeigt, welche sozialen und gesundheitsschädlichen Auswirkungen ein Bewegungsmangel verursacht. Dies darf sich nicht wiederholen. Nach einem Bericht des DOSB zeigt die jährliche Bestandserhebung, dass sich der Sport nur langsam von der Corona-Pandemie erholt. Eine Schließung von Sportstätten und Schwimmbädern wäre fatal und ist unbedingt zu verhindern. Hallenbäder zu schließen, hat zusätzlich drastische Folgen für die Sicherheit und Lebensqualität insbesondere für Kinder und Jugendliche. Rund 60 Prozent der Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer.[4] Schwimmbäder sind Orte der Gesundheitsförderung, Schwimmausbildung, des Vereinssports, der Bildung und Bewegung im Wasser, der Rettungsausbildung, der Lehr- und Fachkräfteausbildung und zur Vermeidung des Ertrinkungstodes enorm wichtig. Die Bundesregierung ist gefordert, die Daseinsfürsorge sicherzustellen und die immense Bedeutung des Sports für die Gesundheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterstützen.


[1] https://mtv-koeln.de/423-energie-lockdown-fuer-den-sport-verhindern

[2] https://www.ndr.de/sport/mehr_sport/Beispiel-ETV-Existenzsorgen-in-der-Energiekrise-Vereine-fordern-Hilfe,energiekrise140.html

[3] https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/weniger-co2-emissionen-1790134

[4] https://www.dosb.de/sonderseiten/news/news-detail/news/energie-lockdown-fuer-den-sport-verhindern

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