Antrag
Jörg König, Nicole Höchst, Klaus Stöber und der Fraktion der AfD
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Ganztagsschulen sind Lebens- und Lernorte, an denen Kindern und Jugendlichen vielfältige Bildungsprozesse ermöglicht werden sollen.[1] Fast alle Schulformen werden inzwischen als Ganztagsschulen angeboten; der Ganztagsschulfinder verzeichnet bereits mehr als 11.000 Ganztagschulen.[2] Nach einem Beschluss des Bundeskabinetts soll das Angebot von Ganztagsschulen insgesamt massiv ausgebaut werden. Ab dem Schuljahr 2026/27 soll jedes Kind, das dann eingeschult wird, in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Schule haben, ab August 2029 dann alle Grundschulkinder.[3]
Bis zur 10. Klasse haben die Schüler im Normalfall um 13:30 Uhr Unterrichtsschluss. In den Ganztagsschulen geht das Betreuungsangebot an mindestens drei Tagen in der Woche über diesen Zeitrahmen hinaus. Zu den charakteristischen Angeboten einer Ganztagsschule gehören, Bildungsangebote, das Angebot eines Mittagessens sowie Angebote zur Freizeitgestaltung, die durch außerschulische Partner gestaltet werden. Dazu gehören Institutionen und Organisationen, die einzelne, zeitlich umgrenzte Kurse oder Arbeitsgemeinschaften an den Ganztagsschulen anbieten.
Befürworter der Ganztagsschule sehen diese Art der Schule als große Chance für die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen. Nachmittags können die Schüler mit mehr Zeit, besseren Angeboten sinnvoller gefördert, gefordert und betreut werden. Problematisch ist allerdings, dass Freizeit- und Vereinsaktivitäten wie Sport im Verein zu kurz kommen. Wenn Kinder bis 17.00 Uhr in der Schule sind, bleibt ihnen wenig Zeit für das Training in einem Sportverein. Umgekehrt haben Vereine immer mehr Probleme, Jugendliche für den Vereinssport zu motivieren.
Bewegung ist aber wichtig! Bewegung, Spiel und Sport sind elementare und unverzichtbare Bestandteile ganzheitlicher Bildung. Sie beeinflussen die sprachliche, körperliche, emotionale, intellektuelle und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.
Dem wird der Schulsport aber nicht gerecht. Obwohl 3 Sportstunden verpflichtend vorgegeben sind, sind die Regelstunden in manchen Bundesländern auf 2 Stunden zurückgegangen. Bei Ausfall eines zentralen Unterrichtsfaches wird der Sportunterricht häufig als erstes gestrichen, damit der Sportlehrer mit seinem zweiten Schwerpunktfach für die ausgefallenen Stunden eingesetzt werden kann. Zusätzlich werden häufig Sport-AGs gestrichen.
Weniger Sport in der Schule, immer mehr Medienkonsum und dem damit einhergehenden Sitzverhalten können längerfristig zu großen gesundheitlichen Problemen führen. Gerade auch hinsichtlich der Auswirkungen der Corona-Pandemie gilt es daher, möglichst alle Kinder und Jugendliche in Bewegung zu bringen und an den Sport heranzuführen.
Nicht als Ersatz, sondern zusätzlich können Sportvereine als Kooperationspartner den Kindern den Spaß am Sport im Rahmen der Ganztagsbetreuung vermitteln und ihr Interesse an verschiedenen Sportarten wecken. Längerfristig können so auch neue Mitglieder für den Verein gewonnen werden. Über zusätzliche Sportangebote am Nachmittag können auch Kinder und Jugendliche aus einkommens- und bildungsschwächeren Schichten Zugang zum Sport finden
Wie wichtig Sportangebote gerade für Jugendliche an Oberschulen sind, berichtet auch Julie Winkel, Sozialarbeiterin an einer Bohnsdorfer Sekundarschule. „Wir haben Probleme mit Schulschwänzern, Gewalt und Wohlstandsverwahrlosung. Über den Sport können wir die Jugendlichen oft einfacher erreichen als über andere Projekte.“[4]
Insgesamt ist es von großem Interesse, dass in den Bildungs- und Erziehungsangeboten der Ganztagsbetreuung von Schülern ein entsprechendes Bewegungs- und Sportangebot integriert ist. „Bewegt den ganzen Tag!“ – das ist das Motto für Ganztagsschulen – so auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung.[5] Kooperationen zwischen Ganztagsschulen und Sportvereinen bestehen bereits. Aber dies ist generell abhängig von der Schulleitung, die eigenständig über die verschiedenen Partner entscheidet und dementsprechend die Nachmittagsangebote auswählt. So kann mehr Wert auf musische oder handwerkliche Angebote gelegt werden, während der Sport gar nicht stattfindet.
[1] https://www.berlin.de/sen/bildung/schule/ganztaegiges-lernen/ganztagsschulen/
[2] https://www.ganztagsschulen.org/SiteGlobals/Forms/gtskarte/gtskarte_formular.html
[3] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/gesetze/gesetz-rechtsanspruch-ganztagsbetreuung-grundschulen-178966
[4] https://www.tagesspiegel.de/sport/wenn-vereine-schule-machen/9119422.html
[5] https://www.ganztagsschulen.org/de/kooperationen/sport-und-bewegung/sport-und-bewegung_node.html
II. Der Deutsche Bundestag fordert daher die Bundesregierung auf in Zusammenarbeit mit den Bundesländern darauf hinzuwirken,
- dass zu den charakteristischen Angeboten einer Ganztagsschule eine verbindliche Kooperation mit einem Sportverein gehört;
- dass das Sportangebot am Nachmittag nicht den Sportunterricht ersetzt;
- dass die Sportangebote für die Schüler kostenfrei sind;
- dass die Durchführung der Sportangebote durch qualifizierte Vereins-Übungsleiter oder Trainer stattfindet;
- dass die Honorare für die Übungsleiter und Trainer aus den Ganztagstöpfen der Schule finanziert werden;
- dass die Übungsleiterpauschale für Ganztagsschulen erhöht wird.
Berlin, den 25.08.2022
Dr. Alice Weidel, Tino Chrupalla und Fraktion
Begründung
„Bewegung, Spiel und Sport sind elementare und unverzichtbare Bestandteile einer ganzheitlichen kindlichen Entwicklung. Sie können in vielfältiger Weise die sprachliche, körperliche, emotionale und intellektuelle Entwicklung positiv beeinflussen; sie fördern gleichermaßen die motorischen wie auch die kognitiven und sozialen Kompetenzen von Kindern und Jugendlichen. Damit können sie einen bedeutsamen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und Jugendlichen leisten. Bewegung, Spiel und Sport eröffnen Chancen für den Einzelnen wie auch für die Gesellschaft, die es zu nutzen gilt.“[1]
Im Einzelnen ermöglicht die Ausübung von Sport folgende körperliche und pädagogische Perspektiven:
- Wahrnehmungsfähigkeiten verbessern, Bewegungserfahrungen erweitern
- sich körperlich ausdrücken, Bewegungen gestalten
- etwas wagen und verantworten
- das Leisten erfahren, verstehen und einschätzen, Stolz auf die eigene Leistung entwickeln
- Kooperieren, Wettkämpfen und sich verständigen, Solidarität entwickeln
- Gesundheit fördern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln
Durch Sport werden Kinder und Jugendliche nicht nur mit dem Thema Bewegung konfrontiert, sondern auch mit der Persönlichkeits-, Wahrnehmungs- und Selbstbewusstseinsentwicklung. Sie lernen unter anderem wie man mit Erfolg und Misserfolg umgeht sowie das Akzeptieren von Regeln. Ebenso werden soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit oder Verantwortung übernehmen, vermittelt. Außerdem stellt die Ausübung von Sport im schulischen Alltag einen Ausgleich zum ständigen Sitzen dar. Ferner regt die körperliche Aktivität im Gebrauch alle Sinne, die Bildung von Synapsen sowie von Neuronen an. Des Weiteren trägt sie dazu bei, dass sich eine Myelinschicht um die Nervenbahnen bildet, welche für eine schnelle Weiterleitung sensorischer Informationen zum Gehirn und damit auch zu Erhöhung der Verarbeitungskapazität sorgt.
Weitere Vorteile sind:
- einen positiven Einfluss auf die Gesundheit und das Körpergewicht,
- eine bessere Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns,
- eine höhere Konzentrationsfähigkeit und
- ein besseres Selbstwertgefühl
Die zunehmende Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen und die Lockdown Maßnahmen durch die Corona Pandemie haben die Situation der Sportausübung von Kindern und Jugendlichen erheblich verschlechtert. So ermittelte das ifo-Institut[2], dass Kinder zu Beginn des Jahres 2022 insgesamt 4,6 Stunden pro Tag mit Fernsehen, Computerspielen oder ihrem Handy verbrachten. Ein Drittel der Eltern berichtete außerdem, dass ihre Kinder durch den Bewegungsmangel an Gewicht zugenommen hätten. Der Mangel an Bewegung kann Diabetes und andere chronische Krankheiten zur Folge haben. Der Wegfall des Schulsportes und der Ausfall der Sport-AGs während der Lockdown-Phasen sind, auch wenn es individuelle Angeboten von Sportlehrern gegeben hat, während des sog. Homeschoolings nicht ausreichend beachtet worden. Demnach haben die Corona-Maßnahmen nicht nur zu einem dramatischen Bildungsrückstand, sondern auch zu einem erheblichen Bewegungsmangel bei den Schülern geführt. 15 Prozent der Schüler leiden mittlerweile an Übergewicht.[3] Auch die Motorik-Modul-Studie von 2022 kommt zu dem Ergebnis, dass die körperliche Aktivität der Kinder und Jugendliche auf das niedrigste Niveau gefallen ist, welches jemals in den letzten 20 Jahren gemessen wurde.
Um diesen negativen Entwicklungen entgegenzuwirken, ist – neben einer Erhöhung der regulären Sportstunden – eine Stärkung der Ausübung von Sport im Rahmen des Ganztages zwingend notwendig und möglich.
Die Konzeption einer offenen, teilweise gebundenen oder einer gebundenen Ganztagsschule erlaubt es, die Ausübung von Sport außerhalb des regulären Unterrichtsfaches Sport deutlich zu erhöhen. Hier bieten sich verbindliche Kooperationen zwischen den Ganztagsschulen und den örtlichen Sportvereinen an. Durch diese Zusammenarbeit von Vereinen und Ganztagsschulen können die beiderseitigen Ressourcen optimal genutzt werden. Die Vereine können für ihr Angebot im Rahmen der Schule werben und so ggf. neue Mitglieder generieren. Die Schulen erhöhen ihr Sportangebot und bieten im Rahmen des Ganztages eine qualifizierte Ausübung von Sport für ihre Schüler. Eine Konkurrenzsituation zwischen dem Betreuungsangebot einer Ganztagsschule und dem nachmittäglichen Jugendtraining der Sportvereine wird so vermieden.
Diese gegenseitigen Vorteile wurden von den Bundesländern und den jeweiligen Landessportbünden erkannt und mündeten in den verschiedensten Formen einer Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Landesministerien und den Landessportbünden. Ziel war jeweils die Kooperation zwischen den Ganztagsschulen und den Sportvereinen zu fördern.[4]
Diese Kooperation beruht ausschließlich auf dem Grundsatz der Freiwilligkeit und führte dazu, dass fast alle Ganztagsschulen zumindest eine Sport-AG anbieten. Damit wird das Potential, welches eine Zusammenarbeit zwischen den Ganztagsschulen und den Sportvereinen bietet, bei weitem nicht ausgeschöpft.[5]
Angesichts des oben allerdings dargestellten Befundes, dass die Ausübung von Sport bei Kindern und Jugendlichen immer weiter abnimmt, muss deshalb das Prinzip der Freiwilligkeit aufgegeben werden. Nur eine verbindliche Kooperation einer Ganztagsschule mit einem bzw. mehreren Sportvereinen kann mittel- und langfristig zu einer Erhöhung der sportlichen Tätigkeiten von Kindern und Jugendlichen führen.
Dieses zusätzliche Sportangebot stellt eine Ergänzung des regulären Sportunterrichtes dar und wird den Schülern als kostenloses Angebot unterbreitet. Damit geht einher, dass die zusätzlichen Kosten dieser verbindlichen Kooperation vom Bund übernommen werden.
Die Durchführung dieses Sportangebotes im Rahmen des Ganztages wird durch qualifizierte Trainer bzw. Übungsleiter der jeweiligen Sportvereine stattfinden. Die Honorare für die Sportstunden werden ebenfalls vollständig vom Bund übernommen.
[1] Erklärung der Kultusministerkonferenz der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) zur Qualitätssicherung des Sportunterrichts im Primarbereich, Beschluss vom 16.04.2009
[2] https://www.ifo.de/node/62918
[3] Siehe dazu: Lüke, Stephan: Sport und Ganztag: Kinder wieder in Bewegung bringen, in: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 26.05.2021.
[4] Siehe z.B. die Rahmenvereinbarung zwischen dem Landessportbund/der Sportjugend, dem Ministerium für Schule und Weiterbildung und dem Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen über Bewegung, Spiel und Sport in Ganztagsschulen und Ganztagsangeboten von 2011 und dem Pakt für den Sport zwischen der Landesregierung Nordrhein-Westfalen und dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen von 2011.
[5] Siehe: Schmidt, Werner: Sport und Ganztagsschule müssen sich verbünden“, in: Bundesministerium für Bildung und Forschung, 01.12.2020.