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Steuerverwaltung mit Distributed-Ledger-Technologien – Zukunftsfähig durch Innovation im öffentlichen Sektor

Antrag
der Abgeordneten Jörn König, Joana Cotar, Uwe Schulz, Dr. Michael Espendiller, Wolfgang Wiehle, Stephan Brandner, Peter Felser, Dr. Heiko Heßenkemper, Martin Hohmann, Stefan Keuter, Andreas Mrosek, Ulrich Oehme, Gerold Otten, Tobias Matthias Peterka, Dr. Robby Schlund, Uwe Schulz, Detlev Spangenberg, Dr. Dirk Spaniel, Dr. Christian Wirth und der Fraktion der AfD

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

In einer immer komplexer werdenden Gesellschaft, bei der Technologie in nahezu allen Lebensbereichen unerlässlich geworden ist, ist dasfrühzeitige Erkennen der „Technologie von Morgen“ von zentraler Bedeutung. Bei der Digitalisierung wünschen sich 75 % der Deutschen, dass Deutschland in diesem Bereich Spitzenreiter wird (https://gblogs.cisco.com/de/die-deutschen-wollen-bei-digitalisierung-weltspitzesein/). In der Realität jedoch ist die Tendenz eine andere. Im aktuellen Cisco Digital Readiness Report von 2019 ist Deutschland von Rang 6 auf Rang 14 gerutscht. Mithilfe dieses Indexes kann der digitale Reifegrad eines Landes international gemessen werden. Dies liegt darin begründet, dass andere Länder bessere Rahmenbedingungen für die Digitalisierung schaffen als Deutschland.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, müssen die großen Potentiale der modernen Technologien durch den Staat erkannt werden und schnellstmöglich eingesetzt werden, unter anderem um mit gutem Beispiel voranzugehen. Die Distributed-LedgerTechnologie eignet sich hierfür gleich in mehreren Aspekten. Im Hinblick auf Sicherheit, Effizienz, Kosten und Geschwindigkeit bietet die neuartige Technologie weitgehende Potentiale. Hierbei handelt es sich um eine besondere Form der elektronischen Datenverarbeitung. Als verteilte Datenbank bezeichnet, erlaubt sie Teilnehmern eine gemeinsame Schreib-, Lese-, und Speicherberechtigung (www.bundesbank.de/resource/blob/665446/cfd6e8fbe0f2563b9fc1f48fabda8ca2/mL/2017-09 distributedledger-technologien-data.pdf).
Von einem rasanten Anstieg der Nutzung von Distributed-Ledger-Technologien ausgehend, müssen bereits heute nachhaltige Strategien entwickelt werden, um diese gewinnbringend für eine funktionierende Digitalisierung in Deutschland einsetzen zu können. Der zeitnahe Einsatz von in Deutschland entwickelten Distributed-LedgerTechnologien im öffentlichen Sektor ist der Schlüssel für eine perspektivische Spitzenreiterrolle.
Damit einhergehend müssen eine konsequente Weiterentwicklung der Regulierungsmaßnahmen und stetige Evaluierung der Anforderungen vorangetrieben werden. Hierbei ist jedoch ein moderner und freiheitlicher Ansatz vonnöten.
Derzeit wird die „Blockchain“ fälschlicherweise mit den Distributed-Ledger-Technologien faktisch gleichgesetzt. Das Strategiepapier der Bundesregierung zu diesen
Techniken wurde sogar explizit „Blockchain-Strategie“ genannt (www.bmwi.de/Redaktion/DE/Pressemitteilungen/2019/20190918-bundesregierung-verabschiedet-blockchain-strategie.html). Dabei haben auch andere Distributed-Ledger-Technologien interessante Vorteile, die allerdings zu wenig gewürdigt werden. So bietet z. B. die IOTATechnologie einige Vorteile gegenüber der Blockchain in Bezug auf die Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung.
Im Gegensatz zur Blockchain basiert IOTA auf einer „Tangle“. Das bedeutet, für die Validierung von Transaktionen wird das gesamte Netzwerk genutzt, anstelle einzelner Verkettungen. Der Vorteil hierbei ist, dass das System bei wachsender Größe schneller und effizienter wird. Die Vorteile gegenüber der Blockchain sind der geringere Energieverbrauch, die höhere Transaktionsrate, die bessere Skalierbarkeit und das Vermeiden von Parallelsträngen, also die höhere Manipulationsfestigkeit. Diese deutlichen Vorteile bringen IOTA in die erste Wahl für neue Anwendungen.
Eine Anwendungsmöglichkeit sieht der Branchenverband Bitkom: „Das Steuerrecht erfordert jedoch in vielen Zusammenhängen eine lückenlose, nachvollziehbare und manipulationssichere Dokumentation von wirtschaftlichen Vorgängen. Hierfür scheinen Distributed-Ledger-Technologien geradezu prädestiniert. Nützlich erscheint dies unter anderem zur Einsparung bislang aufbewahrungspflichtiger Begleitdokumente bei zugleich verbesserter Prüfbarkeit…der festgehaltenen Liefer- und Zahlungsvorgänge(n).“
Bei der Steuererhebung gibt es also innovative Anwendungsszenarien für die Distributed-Ledger-Technologie. Bei der Umsatzsteuer könnte der Steuerbetrug vermindert werden und das Digitalisieren von Rechnungen sowie der Abzug von Vorsteuern in Echtzeit wäre ein großer Schritt in Richtung Echtzeit-Betriebsprüfung. Auch bei der Kapitalertragssteuer und beim Zoll sind Potentiale für die Distributed-Ledger-Technologie erkennbar.
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie/Folgenabschätzung sollte ein Pilotprojekt als
Grundlage durchgeführt werden. Zuerst sollte der Bereich in der Steuererhebung definiert werden, in der der Pilot implementiert wird. Bei einem Pilotprojekt ist nicht davon auszugehen, dass alles problemlos ablaufen wird, daher ist eine begleitende Projektüberwachung sinnvoll. So können Fehler schon während des laufenden Prozess behoben werden und neue Erkenntnisse zu einem sich inkrementell verbessernden Management-Prozess führen. Wenn sich im Pilotprojekt herausstellt, dass die Nutzung der Distributed-Ledger-Technologie (DLT) für das gesamte Projekt nicht zu einer Verbesserung führt, werden die Teilprozesse identifiziert, die durch die DLT-Nutzung verbessert werden können. Die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt werden für zukünftige Projekte angewendet.
Ein Zielparameter sollte für den Bürger/das Unternehmen der Bürokratieabbau sein und für die Steuerverwaltung Einsparungen in den Prozessen. Das stellt sicher, dass die Potenziale der DL Technologie für Steuerprojekte nicht ungenutzt bleiben. Grundsätzlich soll die Technologieoffenheit gewahrt wer-den und die Komplexität für Anwender sowohl auf Steuerzahlerseite wie bei den Finanzbehörden verringert werden.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher auf,

  1. die „Blockchain“-Strategie der Bundesregierung in Distributed-Ledger-Strategie umzubenennen und diese technologieoffen zu formulieren, so dass andere Ansätze wie die Nutzung von „Tanglen“ (IOTA) eine faire Chance erhalten;
  2. ein Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit den Ländern zu starten mit dem Ziel eine lückenlose, nachvollziehbare und manipulationssichere Dokumentation für die Steuererhebung (z. B. Umsatzsteuer) einzuführen. Ziel muss sein, die DL-Technologie zu nutzen sowie Aufwand und Kosten zu verringern, bei gleichzeitiger Verbesserung der Steuer-Compliance;
  3. die jeweils genutzte DL-Technologie öffentlich zugänglich zu machen, falls der Schutz von Geschäftsgeheimnissen dem nicht entgegensteht. Davon ausgenommen sind ferner sicherheitsrelevante Angaben zum Projekt und andere überwiegende öffentliche Interessen,
    a. um die Bürger aktiv zu beteiligen, muss eine Plattform für Fehlermeldungen und für Rückmeldungen aufgebaut werden;
    b. bei der erforderlichen Software nach Möglichkeit auf dezentrale OpenSource-Lösungen zu setzen und möglichst lokal verfügbare Softwaredienstleister einzusetzen;
    c. die Speicherung innerhalb der DL-Technologie automatisch auslesbar bereit zu stellen;
  4. im Lastenheft ist deutlich zu machen, dass eine Anbindung an die für das Pilotprojekt ausgewählte DL-Technologie auch anderen Projektpartnern, z. B. weiteren Steuerzahlern offensteht. Die DL-Projekttechnologie braucht hierfür standardisierte Schnittstellen, über die eine Zusammenarbeit unabhängig von der genutzten DL-Projektlösung möglich ist. Die gesammelten Erkenntnisse zur Bedeutung offener Schnittstellen können sich über das Projekt hinaus auf Open-Government-Lösungen übertragen lassen;
  5. die offenen Schnittstellen so einfach und kostengünstig gestalten, dass die Nutzung auch durch kleine und mittelständische Unternehmen, selbst wenn sie keine
    DL-Technologie nutzen, attraktiv ist;
  6. eine Projektüberwachungsstelle (Monitoring) für die Umsetzung des Pilotprojektes einzurichten. Die externe Projektüberwachungsstelle unterstützt das Pilotprojekt mit der unabhängigen Perspektive und durch die bedarfsorientierte Einbindung externer Experten. Die Einbindung der Deutschen Gesellschaft für Projektmanagement ermöglicht die parallele Erstellung von Kursen für die Zertifizierung von Open Data Projekt-Managern;
  7. weitere Anwendungsfälle für die DL-Technologie (Blockchain, IOTA) zu eruieren und den Deutschen Bundestag in einem jährlichen Strategiebericht über den aktuellen Stand der Anwendungsmöglichkeiten und möglicher vielleicht schon vollzogener Implementierung zu unterrichten;
  8. das Pilotprojekt nach Abschluss mindestens anhand folgender Kriterien zu evaluieren, um die Vorteile der DLT-Nutzung zu bewerten:
    a. Ressourcen- bzw. Energieverbrauch,
    b. Effizienzgewinne d. h. Aufwand/Kosten der Beteiligten und die Skalierbarkeit,
    c. Akzeptanz bei Projektbeteiligten, Projektpartnern, Unternehmen, Bürgerinnen und Bürgern und anderen Beteiligten,
    d. Auswirkungen auf die Steuererhebungskosten (im Vergleich zur herkömmlichen Erhebung),
    e. Auswirkungen auf die Manipulationsfestigkeit (im Vergleich zur herkömmlichen Erhebung und unter den verschiedenen DL-Technologien);
  9. unter Wahrung der einschlägigen Regelungen der Bundeshaushaltsordnung die Erkenntnisse aus dem Pilotprojekt und der Evaluation bei einem weiteren Ausrollen der DL-Technologie anzuwenden, in dem zusätzlich sämtliche Zahlungen DLT-basierend und wo möglich automatisiert durch sogenannte „smart contracts/tokens“ abgewickelt werden;
  10. dem Bundestag spätestens ein Jahr nach dem Pilotprojekt einen Bericht über den
    Projektverlauf und die Evaluation vorzulegen;
  11. die gewonnenen Erkenntnisse in die Weiterentwicklung der Digital Governance einfließen zu lassen, um die Vorteile der Lösung flächendeckend und für möglichst viele Steuerarten nutzen zu können.

Berlin, den 18. Juni 2020

Dr. Alice Weidel, Dr. Alexander Gauland und Fraktion

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